Wednesday, March 28, 2007

Erez und die Siedler

Man hat ja schon so einige "jüdische" Siedler kennen gelernt im Leben. Die meisten waren allerdings so ganz anders als sie sich der gemeine Mitteleuropäer vorzustellen pflegt. Selbst eine Gruppe sehr junger Leute, die sich vor Jahren als Teil der "Hilltop Youth" – den entbehrungsreichen Umständen zum Trotz – auf einem kargen Gelände des Golan-Massivs niederließ, machte weit eher den Eindruck, sie täte es eines gewissen Pioniergeistes wegen, den sie anderen Angehörigen ihrer Generation abhanden gekommen wähnte.

Hinzu kommt, dass die weitaus überwiegende Mehrheit aller Siedler grenznah in Ortschaften wohnt, in denen es sich besser und vor allem preiswerter leben lässt als im Großraum Tel-Aviv. Nun bin ich zwar auch der Ansicht, dass diese Menschen besser daran täten, in den größtenteils unbesiedelten Negev zu ziehen als sich in politisch umstrittenen Gebieten zu tummeln, aber eines steht mal fest: Die Typen, die man hierzulande als "radikale Siedler" zu titulieren pflegt, sind selbst in der Siedlerbewegung eine kleine Minderheit. Wie man gesehen hat, ist selbst die Evakuierung des Gaza-Streifens, der angeblich von Hardcore-Sieglern bevölkert war, ohne den mit großem Trara angekündigten Bürgerkrieg über die Bühne gegangen. Tatsache ist, dass die meisten jüdischen Bewohner der Gebiete für einen echten und dauerhaften Frieden ihren Wohnort notfalls verlegen würden - von denen jetzt mal nicht zu reden, die in den großen Siedlungsblöcken leben, welche aller Wahrscheinlichkeit nach "at the end of the day" bei Israel verbleiben werden. Eine Ausnahme bilden einige wirklich unappetitliche Gesellen, die etwa in Hebron gern mal unangenehm auffallen.

Da die Siedler in Israel eine kleine Minderheit bilden, die politisch längst auf dem Rückzug ist, und die radikalen unter ihnen wiederum nur eine Minderheit, könnten sich die Medien also sparen, ihnen zu unverdienter Popularität zu verhelfen. Ulrike Putz kann auf SPIEGEL online der Versuchung allerdings nicht widerstehen. Wer auf einem karstigen Hügel in Judäa oder Samaria einen Wohnwagen und einen Generator aufbaut, ist in ihren Augen genau so ein Extremist wie ein Palästinenser, der sich einen Sprengstoffgürtel umschnallt. Mindestens. Während den Arabern im allgemeinen und den Palästinensern im besonderen antijüdische Hetze täglich Brot ist und im Westen gern ignoriert bzw. als Eingeborenenfolklore nachlässig hingenommen wird, ist Rassismus in Israel strafbar, und so mancher, der im Fußballstadion "Tod den Arabern" skandierte, wanderte dafür ins Gefängnis - vom Verbot einer rassistischen Partei wie Kach ganz zu schweigen. Allein: Juden und Rassismus, das muss schon sein, wie sonst ließe sich Verständnis für antijüdischen Terror wecken. Deshalb heißt es im Vorspann zum Artikel:

"Palästinenser sind für sie "Eingeborene" mit bösen Absichten, die "ausgerottet" werden müssen: Eine neue, noch radikalere Generation jüdischer Siedler versucht sich wieder im Westjordanland breitzumachen - und die Regierung in die Enge zu treiben."

Eine neue Generation von "jüdischen" (warum nicht israelischen?) Siedlern also, die die Araber gern "ausgerottet" sähe. Und wie belegt Ulrike Putz diese doch recht schwer wiegende Behauptung? So:

"Der 29-jährige Erez Avrahamov, der mit seiner Frau und drei Kindern auf den Hügel gestiegen ist, spricht gar von "Eingeborenen" und davon, dass man diese "ausrotten" müsse."

Das wird den guten Erez, seine Frau und seine drei Kinder überraschen: dass eine deutsche Reporterin ausgerechnet ihn als pars pro toto nimmt, ihn gewissermaßen zum Sprecher der Siedlerbewegung kürt.

Was man in Deutschland wohl dazu sagen würde, wenn ein Reporter aus dem Ausland einen brandenburgischen Skinhead ein paar saftige Bemerkungen über "Kanaken" machen ließe, um dann in der heimischen Presse zu behaupten, für eine neue Generation in Deutschland seien Ausländer respektive Schwarze "Kanaken", die man platt machen müsse?

Ach, so eine kleine unzulässige Verallgemeinerung nimmt Ulrike Putz, die auch einem islamistischen Terroristen noch hehre Motive und eine schwere Kindheit zubilligt, gern in Kauf. Sie schreibt eben nicht, was ist, sondern was sie wahrnimmt, gern auch selektiv – und was man zu Hause gern liest. Muss man ihr deswegen Vorwürfe machen? Ich meine, schon.

1 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Apropos Ulrike Putz. Den "Nahostkorrespondenten" Johannes Zang habt ihr, glaube ich, noch nicht kommentiert. Und da ist viel zu sagen, man lese bloß das Neueste hier
Andere Artikel von ihm findet man zu hauf überall im Netz.

9:47 PM  

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