Thursday, June 21, 2007

Ein Süddeutscher in Hamastan

"Alle Hoffnungen auf einen eigenen Staat hat die Gewalt zerstört" klagt Tomas Avenarius in der Süddeutschen Zeitung auf Seite Drei. Da haben wir sie wieder: die ominöse Gewalt, die immer wieder mal ausbricht oder eskaliert, aber offenbar nie von jemandem ausgeübt wird – jedenfalls nicht von Palästinensern.

Es sieht nicht gut aus im Gazastreifen, Avenarius vermisst die orientalischen Wohlgerüche und schnuppert stattdessen "Schweiß, Urin und Unrat". Offensichtlich sind die Milliardenhilfen der vergangenen 13 Jahre nicht in Deoroller und Müllabfuhr investiert worden sondern in Waffen, weshalb es im Gazastreifen eben so aussieht wie es aussieht, auch wenn der deutsche Korrespondent die Nase rümpft.

Nachdem Avenarius die unschönen Ereignisse der letzten Tage Revue passieren lassen und festgestellt hat, dass zum ersten Mal „militante Islamisten ein fest umrissenes Gebiet im Nahen Osten“ kontrollieren (zum Glück eines, das halb so groß ist wie das Stadtgebiet Hamburgs und komplett am israelischen Tropf hängt), liefert er die erste SZ-typische Fehlinterpretation:

„Ein Jahr nach Beginn des umstrittenen Finanzboykotts der internationalen Gemeinschaft steht zudem fest: Alle Voraussagen Israels, der US-Regierung und der EU haben sich als falsch erwiesen. Die Islamisten der Hamas sind nicht in die Knie gezwungen worden.“

Wie denn auch, könnte man fragen, wenn die Europäer trotz verkündeten Boykotts brav weiter zahlen und es an Idioten nicht mangelt, die jeden vernünftigen Versuch einer Isolation der Terrorbande mit dem Argument zunichte machen, man müsse doch mit einer „demokratisch gewählten Regierung“ verhandeln.

Der Finanzboykott, der keiner war – jedenfalls nicht, wenn es um EU-Zahlungen ging – wird in der Reportage von Avenarius noch zweimal bemüht, ohne dadurch mehr Wahrheitsgehalt zu gewinnen. Zuletzt darf John Ging, Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks für die Gaza-Palästinenser, die falsche Anklage erheben: „Es kann nicht sein, dass die Menschen in Gaza leiden wegen einer verfehlten Politik.“

Nun ja – wer eine Bande wie Hamas mit absoluter Mehrheit an die Regierung wählt, mag der naive Beobachter überlegen, muss eben auch die Konsequenzen tragen. So hat es Ging aber nicht gemeint, denn wie könnte ein UN-Mitarbeiter den Palästinensern Eigenverantwortung unterstellen? Die „verfehlte Politik“ wurde natürlich nicht von Hamas, sondern vom Westen gemacht:

„Der größte Fehler war von Anfang an der internationale Finanz- und Wirtschaftboykott“. Schuld sind also wieder einmal Israel, die USA und Europa, und mit Finanzboykott umschreibt Ging tatsächlich die saftige Erhöhung der EU-Hilfen auf fast 900 Millionen Dollar.

Das lässt Avenarius aber, wenig überraschend, unter den Tisch fallen. Zwischendurch darf sich Abdallah Frangi, jahrzehntelang Arafats öliges Sprachrohr in Deutschland, über die Verwüstung des ehemaligen Büros seines Idols mokieren:

„Das ist unvorstellbar! Diese Menschen haben das Bild von Jassir Arafat mit Füßen getreten. Sie haben die Nobelpreismedaille gestohlen. Das sind doch keine Palästinenser“.

Na, und ob das Palästinenser sind! Vielleicht war Frangi zu lange fort, um mitzukriegen, welchen Weg seine Landsleute unter der Autonomieregierung eingeschlagen haben. Das Gejammer über die Machtübernahme der Hamas ist ja nicht wirklich ernst zu nehmen, schließlich durfte diese Bande unter Arafats Schutzschirm lange genug wachsen und gedeihen, von den konkreten Fällen, in denen Fatah- und Hamas-Terroristen bei Anschlägen kooperierten, ganz zu schweigen. Was oder wer hätte Arafat oder Abbas denn daran gehindert, die islamistische Konkurrenz beizeiten zu verbieten? Die Wahrheit ist: Die Palästinenser haben den Frieden untereinander immer dem Frieden mit Israel vorgezogen – mit dem Ergebnis, dass sie jetzt beides nicht haben. Aber die Machtgeilheit ist noch die alte:

„Jetzt müssen wir Gaza zurückholen“, zitiert Avenarius den Fatah-Funktionär Ziad Abu Ain. Und dazu ist ihm jedes Mittel recht, sogar ein israelisches Totalembargo, das den 1,5 Millionen Palästinensern im Gazastreifen den Rest geben würde. „Wenn die Leute erst hungern, werden sie der Hamas schnell den Rücken zuwenden.“

Gut, dass das kein Politiker der israelischen Rechten von sich gegeben hat, so was würde umgehend auf die Tagesordnung des Weltsicherheitsrates der Vereinten Nationen gesetzt, der gleich seiner tiefen Besorgnis über die drohenden, natürlich unverhältnismäßigen Maßnahmen Israels Ausdruck verleihen und vor einer beispiellosen humanitären Katastrophe warnen müsste. Schließlich wird die Versorgung des Gazastreifens fast ausschließlich von Israel gewährleistet. Wasser, Strom, Gas, Benzin, Diesel, Lebensmittel, Medikamente – all das wurde weiter geliefert, auch als die „bewaffneten Arme“ von Ziad Abu Ains Fatah israelische Bürger zu Hunderten ermordeten. Damals hätte er allerdings bei einem Kappen der Versorgungsstränge aufgejault und den nächstbesten CNN-Reporter angerufen, um sich über die israelische Grausamkeit zu beschweren. Die eigenen Leute sind ihm aber nach wie vor schnurz, deshalb würde Abu Ain es begrüßen, wenn sie zum Wohle der Fatah-Propaganda vor die Hunde gehen: „Ja. Das wäre eine wirksame Methode.“

Was könnte den wahren Grund für den palästinensischen Bruderkrieg schöner illustrieren als der Ruf eines Fatah-Funktionärs nach israelischen Maßnahmen, die sein Volk treffen? Es geht doch nichts über den Originalton.

1 Comments:

Anonymous Anonymous said...

SPIEGEL ONLINE: Die militanten Flügel der Fatah und der Hamas in Gaza haben monatelang hochgerüstet. Sind diese Waffen noch im Umlauf?

Sahar: Es gibt derzeit sicherlich sehr viele Waffen. Tatsächlich hat eine Kugel vor zwei Jahren in Gaza etwa 3,50 Euro gekostet. Heute kostet sie 35 Cent. Die US-Hilfsgelder sind in Waffen übersetzt worden. Danke, USA!

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,489834,00.html

Man glaubt es nicht, wie dreist man sein kann.

1:51 PM  

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